Es gibt Dinge, die stellt man eigentlich nicht in Frage. Dazu gehört das Wetter, Tag und Nacht, die Luft zum Atmen, die Existenz von Männern und Frauen, Armen und Reichen, Ehrlichen und Lügnern und so weiter und so fort.

 

Aber so ganz richtig ist das leider nicht. Spätestens Arme und Reiche sind nicht naturgegeben, sondern das vorläufige Ergebnis einer langen Entwicklung. Männer und Frauen übrigens auch und letztlich Tag und Nacht ebenfalls.

 

Aber wir wollen hier nicht zu grundsätzlich werden, sondern lediglich festhalten, dass man die Art und Weise, wie wir leben schon mal in Frage stellen darf. Auch wenn das manchen nicht passt. Ihr ahnt schon, vor allem denen, die auf Kosten der anderen vom derzeitigen Wirtschaftssystem profitieren

 

Das Kapitalismustribunal macht sich zum Anwalt derer, die dabei den kürzeren ziehen. Es bedient sich dabei der Form eines Gerichtsprozesses mit Anklageschrift, Beweiserhebung, Zeugenaussagen, Gutachten und eben allem, was zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren gehört.

Die folgenden Auszüge könnt Ihr unter diesem Link im Original nachlesen. Dort findet Ihr auch die Links zu den Beweisen.

 

Auch die Tabakindustrie wird hier angeklagt. Hier der Text der Anklage:

 

Name des Angeklagten

Philip Morris International (PMI, Lausanne), British American Tobacco (BAT, London), Imperial Brands PLC (bis Feb. 2016: Imperial Tobacco Group, Bristol)

Anklageschrift

Tabakkonsum und -produktion steigern Hunger und Armut, behindern menschenwürdige Lebensbedingungen und führen zu ökologischen Schäden wie Entwaldung oder Wasserverschmutzung. Menschen im Globalen Süden leiden besonders unter den Folgen.

 

Tabakanbau

Tabak wird weltweit in 120 Ländern auf 4,3 Millionen Hektar Land angebaut. Von den mehr als 7,5 Millionen Tonnen Rohtabak kommen über 90% aus dem Globalen Süden. Tabak unterscheidet sich von anderen profitablen Anbaupflanzen wie Kaffee oder Tee in drei wesentlichen Punkten:

1. Seine Trocknung benötigt große Mengen Feuerholz, das durch Abholzung von Wäldern gewonnen wird. Jährlich werden weltweit mind. 200.000 Hektar Wald für die Tabakproduktion abgeholzt, davon mehr als 100.000 Hektar in Sub-Sahara Afrika.

2. Die Tabakpflanze ist giftig und verursacht Nikotinvergiftungen bei Bäuerinnen, Bauern und Tabakarbeiter_innen. In der Erntezeit nehmen sie täglich den Nikotingehalt von ca. 50 Zigaretten durch die Haut auf.

3. Die aus Tabak gefertigten, süchtig machenden Produkte, vor allem Zigaretten, sind für die Konsumierenden äußerst gesundheitsschädlich. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch stirbt die Hälfte der Konsumierenden an den Folgen des Rauchens.

Vergleichbar mit anderen Cash Crops wie zum Beispiel Baumwolle wird Tabak vor allem in kleinbäuerlichen Strukturen im globalen Süden angebaut. Multinationale Konzerne beuten sie aus, indem sie mit Knebelverträgen die Kontrolle über die Produktion, Saatgut, Düngemittel und Pestizide ausüben, während Risiken wie Missernten allein bei den ProduzentInnen liegen.

Tabakanbau steht außerdem in direkter Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau in Ländern wie z.B. Bangladesch oder Malawi. Unter den zehn größten Tabak produzierenden Ländern haben sechs einen signifikanten Bevölkerungsanteil, der unterernährt ist. Würden in diesen sechs Ländern statt Tabak Nahrungsmittel angepflanzt, könnten mehr als 10 Millionen Menschen ernährt werden. Auf der weltweiten Tabakanbaufläche könnte Nahrung für fast zwanzig Millionen Menschen angebaut werden.

Tabakkonsum

Weltweit rauchen etwa eine Milliarde Menschen, davon 80% in Niedrig- und Mitteleinkommensländern. Tabakkonsum macht süchtig und krank. Jährlich sterben 6 Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens und 600.000 Menschen durch Passivrauchen. 80% dieser Todesfälle ereignen sich in Niedrig- und Mitteleinkommensländern. Das sind mehr Tote als durch HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria zusammen. Tabakkonsum ist der einzige Risikofaktor, der alle Arten von nicht übertragbaren Krankheiten auslösen kann: Lungenkrankheiten wie z.B. COPD, Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebs und Diabetes.

Darüber hinaus verursacht Tabakkonsum in armen Haushalten im Globalen Süden eine Verstärkung von Armut und deren Auswirkungen. Kurzfristig steht durch die Ausgaben für die Zigarettensucht weniger Geld für Nahrungsmittel, Gesundheit und Bildung zur Verfügung. Für Kinder bedeutet dies eine schlechtere Ernährung, schlechte Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge und wenig oder keine Schulbildung. Langfristig verursachen die gesundheitlichen Folgen Arbeitsausfälle und damit weniger Einkommen, hohe Kosten für die Behandlung und weitere Einkommenseinbußen durch die Notwendigkeit der Krankenpflege durch die Familien.

Die Abfälle des Tabakkonsums in Form von Zigarettenkippen und Verpackungen tragen außerdem weltweit zur Plastikmüll-Last bei. Jährlich werden die Kippen von etwa 4,5 Billionen Zigaretten achtlos weggeworfen bzw. in der Umwelt entsorgt. Die Filter bestehen aus schwer abbaubarem Zelluloseacetat (Kunststoff) und enthalten neben Nikotin auch Giftstoffe und Schwermetalle, die so direkt in die Umwelt und in Wasserkreisläufe gelangen.

Tabakindustrie

Deutschland ist einer der wichtigsten Standorte der Tabakindustrie. Jährlich werden 220.000 Tonnen Rohtabak nach Deutschland importiert und zu Zigaretten verarbeitet. Mit einer jährlichen Ausfuhr von etwa 160 Milliarden Zigaretten ist Deutschland der weltweit größte Zigarettenexporteur. Alle marktbestimmenden Zigarettenkonzerne haben hier große Standorte, nicht nur die Angeklagten. Philip Morris International betreibt in Berlin sein europaweit zweitgrößtes Werk, British American Tobacco unterhält sein weltgrößtes Werk in Bayreuth und Imperial Brands ist Muttergesellschaft der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH mit einem Werk in Langenhagen.

Zigarettenkonzerne agieren seit Jahrzehnten mit allen Mitteln zur Erhöhung der Profite durch ein Produkt, das süchtig macht und tötet. Vormals geheime Dokumente der Tabakindustrie haben gezeigt, dass die Führungsriege der Konzerne bewusst Lügen verbreiten, wissenschaftliche Forschung in Misskredit bringen, internationale Organisationen unterwandern und politische Entscheidungsprozesse untergraben ließ.

Die Tabakindustrie nutzt alle Spielräume, die der Kapitalismus für Konzerne bietet, und arbeitet intensiv daran, diese Spielräume kontinuierlich auszuweiten. Sie tut dies nicht nur durch direkte Lobbyarbeit in Parlamenten, sondern auch durch gezielte öffentliche Kampagnen und Organisationen wie z.B. Business Europe. Außerdem nutzt die Tabakindustrie bi- oder mutlilaterale Handelsabkommen, um Märkte zu erschließen bzw. zu erhalten. Aktuelles Beispiel ist die Klage von PMI gegen Uruguays Gesundheitsgesetze vor dem internationalen Schiedsgericht der Weltbank auf der Basis eines bilateralen Investitions- und Handelsabkommens zwischen der Schweiz und Uruguay.

Die angeklagten Konzerne haben Kenntnis über diese Zusammenhänge. Doch ganz nach der Logik des kapitalistischen Systems stellen sie Profite über Menschenrechte.

 

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